2010 Carl Orff – Carmina Burana
Carl Orff – Carmina Burana
Mitwirkende:
Chor Semiseria und ca. 100 weitere SängerInnen aus über 50 Chören der Region Tübingen
Chor der Klasse 6a des Wildermuth-Gymnasiums Tübingen (Leitung: Friedel Treutlein)
Musiker aus verschiedenen Tübinger Orchestern
Anja Petersen, Sopran
Joaquin Asiain, Tenor
Jens Hamann, Bariton
Aufführungen am 24. und 25. April 2012 im Festsaal der Universität Tübingen
“Sterbender Schwan vom Klostergrill auf Mittelhochdeutsch und in Küchenlatein”
“Es ist einfach immer wieder beeindruckend, was man in Tübingen auf die Beine stellen kann. In der Region sind außerordentliche “Synergieeffekt” möglich, wenn man sich vernetzt und zusammenarbeitet. Das “Carmina”-Projekt von Dirigent Frank Schlichter und seiner Semiseria könnte Schule machen und zukunftsweisend für weitere hiesige Kulturunternehmungen werden. […]
Und wieder kann man nur sagen: Respekt. Es war ein Ereignis. Die Bühne im Uni-Festsaal war am Samstag schon allein mit dem großen Orchester dicht besetzt. Der Großchor stand auf steilen Metallpodesten gestaffelt. Beide Aufführungen restlos ausverkauft. Die fast 1000 Zuhörer am Samstag beeindruckt, ergriffen, überwältigt. Vorangestellt war Rimskij-Korsakows Konzertovertüre “Russische Ostern” (1888): mystische orthodoxe Choräle, klingelnder Festtagszauber mit Glockenspiel und Triangel, aber auch Anklänge an heidnische Frühlingsfeier – eine sanfte Vorausahnung von Strawinskys “Sacre du printemps”. Das Orchester musizierte subtil und verwandlunsfähig, mit hör- und sichbarer Begeisterung und persönlichem Einsatz. Schlichter dirigierte konzentriert und kraftvoll, ging fast tänzerisch mit der Musik mit. In den “Carmina” hielt Schlichter die riesige Besetzung souverän zusammen, dazu kam der Kinderchor der Klasse 6a des Wildermuth-Gymnasiums, der von der Galerie aus sang. Schlichter kostete die ganze dynamische Bandbreite aus, hielt nichts am Fortissimo zurück, fuhr das Decrescendo bis ganz hinunter. Auch im Ausdruck setzte Schlichter starke Kontraste und klare Zäsuren. Mit unglaublicher Klanggewalt und berstenden Pauken bebte das “0 Fortuna” durch den Festsaal. Dabei artikulierte der Großchor erstaunlich deutlich: Noch die kürzeste Endsilbe war auch auf den hinteren Plätzen haarscharf zu verstehen, ob Mittelhochdeutsch oder Klostergeist-Latein. […]
Mit dem letzten Akkord gingen alle Scheinwerfer aus und die ganze mittelalterliche Welt verschwand im Dunkel. Der Beifall toste über fünf Minuten lang: Einen Riesen- Extraapplaus erntete der Kinderchor. Als Zugabe kam der arme Schwan noch einmal auf den Grill.”
Schwäbisches Tagblatt, 26.04.2010