Mendelssohn: Paulus am 2.7.23 in Tübingen

 

Mitwirkende:

Sopran:  Sibylla Rubens
Tenor: Andreas Weller
Bass: André Morsch

Semiseria Tübingen
Orchester: Camerata viva Tübingen

Leitung: Frank Schlichter

Aufführungsdauer (leicht gekürzt) ca. 110 min


Einführung zum Konzert am 25.6. um 10 Uhr in der Martinskirche,
Frischlinstr. 35, Tübingen.
Musikalischer Gottesdienst und Impulsvortrag
zum Konzert von Dr. Friederike Portenhauser


Presse

Ein musikalisches Großereignis

Gekürzt, aber immer noch zweieinviertel Stunden Musik in der nahezu voll besetzten Stiftskirche: der Chor Semiseria und die Camerata viva. Starke Kontraste prägten das Klangbild.

Bild: Anne Faden

Die Aufführung des Oratoriums „Paulus“ von Felix Mendelssohn Bartholdy in der fast voll besetzten Stiftskirche durch den Chor „Semiseria“.

Ein musikalisches Großereignis: Das gewaltige chorsinfonische Werk der Romantik mit seiner Länge von (je nach Kürzung und Tempo) zweieinhalb Stunden fordert von Solisten, Chor und Orchester nicht nur Durchhaltevermögen, sondern auch intensive Vorbereitung. Die haben der gut besetzte Tübinger Chor „Semiseria“ und die „Camerata viva Tübingen“ als orchestraler Partner unter Frank Schlichters erfahrener Leitung in bemerkenswerter Weise geleistet. Als Solisten standen ihnen die Sänger Sibylla Rubens (Sopran), Andreas Weller (Tenor) und André Morsch (Bass) zur Seite.

Erweckung zum Glauben

In „Paulus“ geht es um die Erweckung zum Glauben; als eine Art Leitchoral fungiert „Wachet auf, ruft uns die Stimme“. Der erste Teil schildert das biblische Damaskus-Erlebnis des Saulus, der danach zum Apostel Paulus wird; der zweite Teil erzählt von seiner Mission. Dieser lange zweite Teil wurde für diese Aufführung um mehrere Nummern gekürzt, in denen es vor allem um die Anfeindung des Paulus durch die Juden geht; die Satzfolge erschien dennoch schlüssig. Gleichwohl dauerte die Aufführung (mit kurzer Atempause) zweieinviertel Stunden.

Frank Schlichter und die Seinen widmeten sich dem Werk mit breiten Tempi und hoher Intensität, gerade die Choräle wurden betont langsam und zurückhaltend vorgetragen. Genauso feierlich gedehnt und tief beseelt erklang auch die Ouvertüre; die „Camerata viva“ machte präzis und engagiert deutlich, dass es sich hier um anspruchsvolle Sinfonik mit sakralem Anspruch handelt.

Mendelssohns eigenwillig verteilte Rollen wurden bestens ausgefüllt: von Sibylla Rubens und Andreas Weller als ausdrucksvolle Erzähler (wobei Weller seinen lyrischen Tenor an die Grenzen führte), durch André Morsch als bisweilen polternder Paulus, die Frauenstimmen des Chors als Stimme des Herrn und der gesamte, enorm schlagkräftige Chor als „Stimme der Christenheit“ oder der wütenden Heiden. Charakteristisch für diese Aufführung war ihre intensive Dramatik. Ließ sich Schlichter durch das auf dem Programmheft abgebildete Caravaggio-Gemälde inspirieren?

Starke Kontraste prägten das Klangbild: Die Erweckung geschieht unter geradezu schmerzhafter Tutti-Gewalt, der Weckruf des Chors wird machtvoll entfaltet, durchdringende Siegesfanfaren künden vom wahren Gott. Umso ergreifender wirken die innigen Momente, wenn der Chor auf „Doch wird die Seele leben“ fast a cappella singt, der Choral „O Jesu Christe, wahres Licht“ zwischen Solistenensemble und Chor aufgeteilt und von der Soloklarinette umspielt, oder der Tenor am Ende als Stimme Jesu vom Cello begleitet wird.

Pauken und Blech

Wie in manch anderen Kirchenkonzerten machten sich auch hier Pauken und Blech Akustik-bedingt allzu grell bemerkbar. Wollte Mendelssohn das Lob Gottes wirklich so überwältigend zu Gehör bringen?

Waren die Blechblasinstrumente seiner Zeit leiser? Falls ja, sollte man dies berücksichtigen? Die stets disziplinierte und klangschöne Kraft des Chors jedoch beeindruckte in jedem Abschnitt, ob verinnerlicht oder plakativ.

Zum Schluss hin wurde die große Gemeinschaftsleistung nochmals intensiv gesteigert und vom Publikum mit anhaltenden Ovationen bedacht.

Hella Schreiber, Tagblatt, 5.7.2023


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